DSC00936  Nachdem man an der Shinnyodo-mae Bushaltestelle auf der Shirakawa Straße aussteigt, geht man den leicht ansteigenden Weg in Richtung Osten hinauf. Dann stößt man auf einen Spazierweg, den man Tetsugaku-no-Michi (Philosophenweg) nennt. Geht man ungefähr 200 Meter weiter nach Osten, befindet man sich im Bezirk Shishigatani. Dort findet man auf der südlichen Seite die Schule Notre-Dame und auf der nördlichen Seite zwei Tempel: Reigan-ji und den Anraku-ji gleich dahinter. Der letztere wurde nach dem Priester benannt, der in der folgenden tragischen Geschichte eine große Rolle gespielt hatte.

 

  In der Kamakura Zeit (1192-1333) gründete der Priester Honen die neue Sekte Jodo-shu. Nach seiner Lehre kann man nach dem Tod ins Jodo (Nirwana) gehen, wenn man nur jeden Tag an Buddha denkt und seinen Namen sagt: „Namuamidabutsu“ oder „Ich gebe mich dem Amida-Buddha total hin!“

  Dieser Jodo-Glauben erhielt Unterstützung vom Volk, das bis dahin zur Religion keine Beziehung hatte. Aber die konventionellen Sekten in der alten Stadt Nara oder auf dem Hieizan Berg dieser neuen Bewegung feindlich gegenüber und klagten vor dem ehemaligen Kaiser (dem wirklichen Machthaber) Gotoba-Joko, die Jodo-Sekte zu verbieten.

  In solch einer Situation hielten zwei Schüler von Honen, Juren und Anraku, Versammlungen in einer Gebetshalle in Shishigatani ab, um den Jodo-Glauben zu verbreiten. Unter den Hofdamen von Gotoba-Joko gab es zwei Schwestern, die19-jährige Matsumushi und die 17-jährige Suzumushi. Sie erhielten die besondere Gnade des Jokos, weil sie nicht nur schön, sondern auch hochgebildet waren. Aber sie waren beide mit dem oberflächlichen Hofleben höchst unzufrieden.

  Eines Tages, trat Joko eine Pilgerfahrt in Kumano (der jetzigen Wakayama Präfektur) an. Während seiner Abwesenheit besuchten die Schwestern den Kiyomizu Tempel, um die Predigt von Honen zu hören. Sie begeisterten sich an seinem Jodo-Glauben so sehr, dass sie sich spät in der Nacht aus dem Palast stahlen und die Gebetshalle in Shishigatani betraten, damit sie ihren Wünsch verwirklichen konnten, Nonnen zu werden. Von ihrem großen Eifer überwältigt, schnitt Juren Matsumushi und Anraku Suzumushi eine Tonsur.

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   Der Joko, der in den Palast zurückkam, war über die Nachricht, dass seine Lieblingshofdamen Nonnen geworden waren und dass es das Werk der Priester Juren und Anraku gewesen war, sehr erstaunt. Diesen Vorfall zum Vorwand nehmend und den Wunsch der konventionellen Sekten entsprechend, verbot Joko die Jodo-Sekte. Honen wurde auf Tosa (der jetzigen Kochi Präfektur) verbannt. Juren wurde in Omi (der jetzigen Shiga Präfektur) und Anraku wurde in Kyoto enthauptet. Matsumushi und Suzumushi verbrachten den Rest ihres Lebens auf einer kleinen Insel in der Seto Inlandssee und starben im Alter von 36 und 45 Jahren.

  Danach stand nur noch eine Ruine von der Gebetshalle in Shishigatani. Aber was Honen dort wieder baute, nachdem er seine Verbannungsjahre abgesessen hatte, war der Tempel Anraku-ji. In der Einfriedigung stehen die Gräber von Juren und Anraku und ein Denkmal, auf dessen Oberfläche ihre letzten Worte eingraviert wurden:

  ◎Weil ich mich ins Nirwana begeben kann, gebe ich mich dem Amida-Buddha vollkommen hin. (von Juren)

  ◎Außer „Namuamidabutsu!“, habe ich kein anderes Wort zu sagen. (von Anraku)

Selbstverständlich gibt es auch ein Denkmal für Matsumushi und Suzumushi.

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