Das Tor des Hoonji Tempels, in dem die Tsukazu-no-Kane aufbewahrt wird

  Wenn man an der Imadegawa U-Bahn-Station aussteigt und entlang der Imadegawa Straße eine Weile in die westliche Richtung geht, befindet man sich innerhalb des Bezirks Nishijin, in dem der Stoff Nishijin-Ori gewoben wird.  Früher gab es neben Tempeln und Schreinen eine große Anzahl von Tuchfabriken, wo viele Weberinnen und Lehrlinge gearbeitet haben.

  In einem der Tempel dort, dem Hoonji, gibt es eine Glocke, die in der Heian Zeit gegossen wurde.  Man nennt sie „Tsukazu-no-Kane“, auf Deutsch „die Glocke, die man nie läutet“.

 

  In der Edo Zeit, hat man in Nishijin die Uhrzeit des Arbeitsbeginns und Feierabends an den Glockenklängen des Tempels Hoonji markiert.  In einer Fabrik haben ein 15-jähriger Lehrling und eine 13-jährige Weberin gearbeitet, die sich miteinander gar nicht vertragen haben.

  Eines Tages haben sie sich um die Anzahl des Abendgeläutes gezankt.  Der Lehrling hat behauptet: „Acht mal!“.  Die Weberin: „Neun mal!“.  Sie haben gewettet und versprochen, dass, wer verloren hat, alles tun muss, was der andere befohlen hat und sind auseinander gegangen.

  Kurz danach ist der Lehrling zum Tempel gegangen und hat sich bei dem Tempeldiener vergewissert, wie viele Male er geläutet hatte am Abend.  Die Antwort war: „Neun mal“, wie die Weberin behauptet hat.  Also hat der schlaue Lehrling den Diener darum gebeten, dass er am darauffolgenden Abend nur achtmal läutet.  Der Diener, der die Situation natürlich nicht verstanden hat, hat der Bitte einfach Folge geleistet.

  Am folgenden Abend hat die Glocke des Tempels Hoonji angefangen zu schlagen, einmal, zweimal, dreimal, viermal, fünfmal, sechsmal, siebenmal, achtmal und hat aufgehört, weiterzuschlagen.

  Die Weberin hat sich mit Entsetzen im Herzen gefragt: „Warum schlägt die Glocke heute nicht neunmal, wie normalerweise?“ 

Nachdem sie vom Lehrling viel beschimpft und beleidigt wurde, hat sie sich vor Ärger an der Glocke erhängt.

  Danach ist dort der Geist von dieser Weberin erschienen, deren Gesicht voll von Rachedurst war.  Niemand will seitdem die Glocke läuten.  Heute läutet man sie nur an Silvester als „Joya-no-Kane“.  Es ist eine japanische Sitte, an Silvester in allen Tempeln im Land die Glocke 108 mal zu läuten, damit man sich von den 108 buddhistischen weltlichen Begierden befreien kann.

  Hoffentlich befreien die Glockenklänge auch diese Weberin vom Rachedurst!

Die Tsukazu-no-Kane, die Glocke, die man nie läutet, ist festgezurrt