Als der Tempel Ojo-in in der Showa Zeit (1926-1989) mit dem neuen Namen Takiguchi-dera wiederaufgebaut wurde, entstand noch ein zweiter Tempel mit dem Namen, Gio-ji. Daher stehen heute diese zwei Tempel nebeneinander. Diesmal möchte ich über den letzteren schreiben:
Der Wortteil Gio aus dem Namen Gio-ji ist der Name einer Frau, die als Nonne in der Heian Zeit (794-1185) in diesem Nonnentempel wohnte. Gio wurde in Ohmi (in der jetzigen Shiga Präfektur) geboren. Sie zog in ihrer Jugend mit ihrer jüngeren Schwester Ginyo und ihrer Mutter Toji nach Kyoto um. Dort wurden die Schwestern Gio und Ginyo Shirabyoshi. Shirabyoshi sind Schauspielerinnen, die in Gestalt eines Mannes Waka-Gedichte singen und tanzen.
Gio erhielt die Gnade des damaligen Machthabers Taira-no-Kiyomori, der ihr erlaubte, als seine Liebhaberin mit ihrer Schwester Ginyo und ihrer Mutter Toji in seiner Villa zu leben. Sie stand mit Kiyomori in gutem Einvernehmen. Als Gio über die schlechte Wasserversorgung ihrer Heimat klagte, verbesserte Kiyomori sofort die Flussregulierung in Ohmi durch einen Kanalbau.
Eines Tages besuchte eine Shirabyoshi aus Kaga (aus der jetzigen Ishikawa Präfektur), die Hotokegozen hieß, die Villa Kiyomoris und sagte am Eingang: „Ich möchte gern hier singen und tanzen vor dem Herrn.“ Kiyomori antwortete: „Hier haben wir schon gute Shirabyoshis. Zieh Leine!“ Da vermittelte Gio zwischen den beiden und ließ sie herein. Aber nachdem Kiyomori die Aufführung Hotokegozens gesehen hatte, wurde er durch ihre Schönheit total verzaubert. Nach einiger Zeit verstieß er ausgerechnet die Vermittlerin Gio und darüber hinaus ihre ganze Familie aus seiner Villa.
Einige Zeit später, wurde ihnen von Kiyomori ein Brief geschickt, dessen Inhalt folgender war: „Hotokegozen, die nach einiger Abwesenheit heimgekommen ist, ist irgendwie niedergeschlagen. Wir würden uns sehr freuen, wenn Sie zu uns kämen und vor Hotokegozen auftreten würden.“ Obwohl Gio, wegen dieser unmöglichen Einladung, enorm beleidigt war, wurde sie von ihrer Familie überredet. Also, besuchte sie seine Villa und sang und tanzte vor Hotokegoyen.
Dieses schmachvolle Ereignis erschütterte Gio so sehr, dass sie versuchte, sich umzubringen. Aber ihre Mutter überredete sie den Gedanken aufzugeben und schlug vor, der Welt zu entsagen. Also ließen sich alle, Gio, Gnyo und die Mutter eine Glatze schneiden. Fortan lebten sie als Nonnen in einer Klause, Sutras rezitierend. Diese Klause ist der Ursprung des jetzigen Nonnentempels Gio-ji.
Eines Tages pochte es an der Tür. Als Gio die Tür aufmachte, stand Hotokegozen in Gestalt einer Nonne da. Hotokegozen sagte: „Ich hatte Gewissensbisse, nachdem ich dir die Liebe von Kiyomori geraubt hatte. Zweifellos muss ich mich in der Zukunft mit dem gleichen Schicksal abfinden.“
Unmittelbar darauf nahm Hotokegozen am Leben in der Klause teil. Danach lebten die vier in Eintracht bis die Letzte starb. Jetzt stehen im Tempel Gio-ji, außer der Hauptbuddhastatue, fünf Menschenstatuen aus Holz. Es ist Kiyomori von vier Frauen umgeben. Vermutlich fühlt er sich ganz klein.