Ich habe zuletzt über einen mysteriösen Stein geschrieben; von dem Sugawara-no-Michizane, der ein heftiges Gewitter verursacht hat und in den Himmel gestiegen ist. Dieser Stein wird heute zusammen mit Michizane im Schrein als Gott verehrt. In Kyoto findet man oft solch vergöttlichte Steine oder Felsen an der Straße.
Ein bisschen westlich vom oben erwähnten Stein findet man an einer Straßenecke auch einen zwei Meter großen Stein, der sich hinter dem Torbogen, dem Torii, befindet. Man hat Stricke mit Papierschmuck als Symbol des Heiligtums um den Stein gewickelt und ruft ihn beim Spitznamen „Iwa-gami-san“, auf Deutsch „Herr Steingott“, im vertraulichen Ton.
Über diesen populären Stein werden mehrere interessante Geschichten überliefert. Die folgende ist eine davon:
Früher befand sich dieser Stein nicht dort, sondern an dem Ort, an dem das neuere Nijojo Schloss steht. Als die Bauarbeiten des Schlosses begannen, wurde er trotz seines Gewichtes auf den Ort südlich vom Schloss verlagert. Da wurde er eine Weile als die Hauptgottheit des Schreins Nakayama-Jinja verehrt. Er hat diesen Schrein gemütlich gefunden und wollte lange dort bleiben. Aber er musste sich mit seinem ironischen Schicksal abfinden.
Viele Leute haben sich gewünscht ihn zu besitzen, weil er sie durch seine stattliche Gestalt bezaubert hatte. Ausgerechnet hat sich „Chuwamon-in“, die Mutter des 108. Kaisers Gomzunoo, gewünscht, ihn als Gartenstein zu benutzen. Also wurde er gegen seinen Willen vom Nakayama-Jinja auf ihre Villa verlagert und neben dem Teich im Garten hingesetzt.
Bald danach sind häufig rätselhafte Phänomene vorgekommen. Er hat jeden Abend schluchzend gesagt: „Ich möchte nach Hause zurückkehren!“. Gelegentlich hat er vor Zorn gebrüllt. Oder er hat sich in die Gestalt eines Kindes verwandelt und ist durch die Straßen geirrt. Daher hat man ihn als „Kamuro-Ishi“, auf Deutsch „Kinder-Stein“ bezeichnet.
Die Hofdamen, die diese Phänomene nicht mehr ertragen konnten, haben Hilfe bei einem Priester der Shingon Schule gesucht. Er hat den Stein zu sich genommen und einen neuen Tempel am jetzigen Ort gebaut, um ihn angemessen zu verehren. Danach haben solche Phänomene aufgehört und der Stein ist als Gott des Stillens sehr populär geworden. Selbstverständlich war er dort wieder sehr glücklich.
Aber wegen der Brände, die in der Edo Zeit hintereinander ausgebrochen sind, lag der Tempel völlig in Trümmern, nur den Stein hinterlassend. Neuerdings hat ein Mann, der für das Schicksal dieses Steins Mitleid empfunden hat, ein Tor (Torii) vor ihm errichtet, damit man ihn angemessen verehren kann.
Das Leben eines Steins ist genau wie das unsere!